Das Jahr neigt sich dem Ende zu und die Rauhnächte stehen wieder einmal vor der Tür. Am 21.12. ist Wintersonnenwende und drei Tage später hat das Licht sich so weit verdichtet, dass die Tore sich öffnen und die Rauhnächte beginnen. Es sind die Tore zur Anderswelt, zur Unterwelt und zur Geisterwelt die sich an in den Rauhnächten, an Beltain und Samhain öffnen. Die Kraftplätze sind in diesen Nächten aktiv, Portale geöffnet. Die wilden und ungezähmten Chaos- und Naturgeister und -energien können in unsere Welt wechseln und sich auch viel stärker bemerkbar machen.
Ungezählt deswegen, da das Sonnenjahr mit seinen 365 Tagen nicht mit dem Mondjahr uns seinen 13 Monden (354 Tage) übereinstimmt. Es „fehlen“ ein paar Tage, bis die beiden Kalender wieder übereinstimmen.
In den ersten 12 Nächten werden die 12 Sonnenmonate gewoben. Jede Nacht entspricht einem Monat. Außerdem hat jede Nacht ein Thema, einen besonderen Zauber und einige Nächte sind besonders mächtig. Man sollte unbedingt einen Kalender und ein Rauhnacht-Tagebuch bereit legen und sich jeden Abend etwas Zeit nehmen um zur Ruhe zu kommen. Die 13. Nacht ist die „Nacht der Wunder“ die uns daran erinnert dass das Jahr auch durch die 13 Monde getaktet ist.
Wenn es am 24.12. draußen dunkel wird beginnt die erste Rauhnacht. Wir zählen die Nacht immer bis zum Einbruch der Nächsten. Der 25.12. ist also der erste Rauhnachtmorgen und der Tag des 25.12. gehört zur ersten Rauhnacht bis zum Einbruch der Dunkelheit. Die 13. Rauhnacht endet aber mit dem ersten Licht des neuen Tages am 6.1.
Die Schreibwiese der Rauhnächte hängt davon ab welcher Meinung man sich anschließen möchte, denn der Ursprung des Wortes Rau(h)nacht ist umstritten. Die Einen vertreten die Ansicht, der Ausdruck bezieht sich auf das Wetter, das zu dieser Zeit rauh (mit h) und unwirtlich ist. Die Anderen sagen es bezieht sich eher auf das Geheimnisvolle der heiligen Nächte und sprechen von den „raunenden“ Nächten in denen die Nornen Orakel raunen. Die Dritten sagen da sei der Rauch vom Räuchern gemeint. Also eine Verballhornung des Begriffs „Rauchende Nächte“ weil das Räuchern und Segnen in diesen Nächten Brauch war. Man kann es also schreiben wie man will, je nachdem wie man es ableitet.
In den Rauhnächten sind die Wände zwischen den Welten besonders dünn und die Wilde Jagd reitet. Es ist eine Zeit geisterhafter Erscheinungen. In stürmischen Winternächten, wenn es heult und kracht, sprechen wir von der Wilden Jagd. Schon in den ältesten Zeiten wurden sonderbare Töne gehört. Sie scheinen in verschiedenen Richtungen die Luft zu durchfliegen, oft von der Höhe herabzukommen oder von dem Erdboden aufwärts zu steigen. Wenn diese Winterstürme heulend am Haus rütteln, dann braust die Wilde Jagd durch die Lüfte. Hier zeihen Odin als Schimmelreiter und Frau Holle oder Perchta mit ihrem Gefolge durch die Lüfte. Mit starkem Wind, Gerassel, Schreien oder auch Heulen.
Wer die Wilde Jagd beobachtet wird von ihr erfasst und mitgerissen. Deswegen sollte man sich in den Rauhnächten besser im Haus verstecken bis das Geschehen vorüber ist. Odin und Frau Holle kann man während ihrer Jagd aber auch gütlich stimmen und ihnen einen Teil vom Weihnachtsessen als Opfer bringen.
Die Nornen weben in den 13 heiligen Nächten das neue Jahr für uns. In den Rauhnächten dürfen sich keine Räder drehen, um nicht die Wolle der Nornen zu verwirren. In früherer Zeit war es das Spinnrad und auch die Webstühle standen still. Heutzutage sind diese Dinge kaum noch in Gebraucht, aber in jedem Haushalt dreht sich eine Waschmaschine. Auch das ist ein symbolisches Rad, das in den Rauhnächten still stehen sollte damit das Rad des Schicksals nicht ins Schleudern kommt. Daher sollte man die Tage vor den Rauhnächten nutzen um zum Beispiel alle Wäsche zu waschen, zu trocknen und in den Schrank zu legen. Auch sollte die Wäsche in den Rauhnächten nicht draußen hängen damit sich Geister der Wilden Jagd nicht in den Wäschestücken verheddern oder über die Wäscheleinen stolpern könnten, denn das brachte Unglück oder Krankheit und wenn sogar ein Bettlaken draußen hing, dann lud man den Tod ein darauf zu spucken und es wurde zum Leichentuch.
Mit einer inneren und äußeren Ordnung in die Rauhnächte zu gehe macht sehr vieles leichter. Alle Arbeit, die im Haushalt zu verrichten ist, wie Staubsaugen, aufräumen, putzen und so weiter, erledigt man am besten wenn es hell ist. Die Dunkelheit gehört der Stille, dem Lauschen und der Mediation.
In den meisten Büchern werden nur 12 Rauhnächte gezählt und die Nacht der Wunder ist irgendwie „zusätzlich“. In unserer Tradition ist sie jedoch wichtig und gehört unbedingt dazu, also feiern wir 13 heilige Nächte.
Die Hollanacht oder die Perchtnacht erinnert uns daran, dass das Jahr nicht nur durch die Sommer sondern auch durch die 13 Monde getaktet ist. In dieser Nacht wander Frau Holle (bzw. Frau Percht) umher. Sie sieht nach ob überall alles in Ordnung ist und segnet die Häuser. Großzügige und umsichtige Menschen werden von ihr belohnt, geizige bestraft. Alles soll gerecht zugehen, gemessen, gewogen und gezählt sein.
Am Ende der Rauhnächte, am 6. Januar, wird den drei Nornen Anbeth, Wilbeht und Borbeth für die gute Arbeit gedankt die sie geleistet haben. Dank ihrer Spinn- und Webkünste war das neue Jahr gesichert und die Häuser wurden gesegnet. Zum Dank und zur Wertschätzung wurden die Namen der Nornen als Segen über die Türen geschrieben. Später hießen die drei Nornen dann Katharina, Margareth und Barbara, woraus später im Christentum die heiligen drei Könige Kaspar, Melchior und Baltasar wurden. Heute wie damals empfangen wir den Segen der Drei und schreiben ihre Initialen über unsere Türen.
Mit dem ersten Licht des sechsten Tages schließt sie die Türen zwischen den Welten. Die Rauhnächte sind dann vorüber.
Es ist nicht schlimm wenn man es nicht schafft alle 13 Nächte „durchzuhalten“. Gerade wenn man erst damit beginnt und sich noch keine Routine entwickelt hat geht einem die eine oder andere Nacht im Alltags- und Weihnachtsstress „durch die Lappen“. Schlimm wäre es, das zum Anlass zu nehmen aufzugeben oder es gar nicht erst zu versuchen. Jede Rauhnacht, die man bewusst durchlebt, bereichert das eigene Leben und zählt.