Rune Raido – 5. Station der Runenreise

Die Rune Raido

Rune Raido

Die Rune Raido auf Holz

Raidho ist die fünfte Rune des älteren Futhark und wird im altnordischen Runenalphabet mit dem Lautwert r gleichgestellt. Soweit sind sich wohl alle Quellen einig.
Auch besteht eine recht große Einigkeit darüber, dass das Wort “Raido” in Runengedichten wohl als „Ritt“ oder „Wagenrad“ interpretiert werden kann. Hierzu noch die Anmerkung, dass das Wort varriieren kann. So lautet es auf althochdeutsch raido, auf altnordisch ræið, rat, raiðu, rið oder reið, in altenglisch rād und auf gotisch reída oder reda.

Entsprechend häufig findet man jene naheliegende Interpretation der Rune:
“Die Rune Raido steht für Rad, Ritt oder Reise”.


Interpretation: Rad, Ritt oder Reise

All das hat mit Fortbewegung zu tun. Und zwar eine recht flotte und kontinuierliche Fortbewegung mit Hilfsmittel (Pferd oder Wagen) und nicht auf dein eigenen zwei Beinen. Entsprechend wird in Raido gern eine Schutzrune für Reisende gesehen, was ich auch garnicht in Abrede stellen möchte.

Weiter ausholen sollte man meiner Ansicht nach jedoch, wenn man Raido als Begleiter für die Reise ins Innere Ich und somit zum Unterbewusstsein heranzieht. Auch als Rune für Meditationsreisen habe ich im Internet Empfehlungen gelesen.
Nun, hier ist sicherlich gemeint, dass man seine Reise nicht allein durchführt sondern von einem geistigen Füher begleitet wird, die sogar häufig in der Form von Pferden auftauchen.


Interpretation: Fliegender Pfeil

“Ein fünftes kann ich: fliegt ein Pfeil gefährdend
Übers Heer daher,
Wie hurtig er fliege, ich mag ihn hemmen,
Erschau ich ihn nur mit der Sehe.”
(Quellenhinweis: Odins Runenlied ist Teil des Hâvamâl, „Des Hohen Lied“, dem sechsten der Götterlieder der älteren Edda)

Auch hier geht es um eine eher flotte Fortbewegung. Der Pfeil fliegt hurtig und zielgerichtet über ein Heer. Wohl gemerkt, in diesem wirklich ursprünglichen Zusammenhang hat man ein klares Ziel vor Augen und möchte dieses erreichen (ggf. mit dem Pfeil).
Umso befremdlicher finde ich die manchmal gelesene und meiner Meinung nach etwas esoterische Interpretation von “Der Weg ist das Ziel”. Nichts desto trotz kommt auch hier bei der Rune Raido wieder der Schutzaspekt für eine sichere Reise und das sichere Erreichen des Ziels zum tragen.
Hier aber ohne Kompromisse. Der Weg ist gerade und das Ziel vordefiniert. Hier fällt mir auch gleich das Sternzeichen Schütze ein und der Charakterzug “strait”. Das ist zwar sehr effektiv, doch auch etwas unflexibel und verursacht häufig Kollateralschäden. Aber so waren die Wikinger, oder?


Interpretation: Wagenrad

Ein altes Speichenrad aus Holz besteht aus einer Radnarbe, oft 8 Speichen und einem Kreis. Dieses Rad ist ausgesprochen symbolträchtig, denn es verkörpert den Jahreskreis mit seinen 8 Jahreskreisfesten.
Hier bedeutet die Bewegung der Rune Raido ganz klar die Reise durch den (Jahres)Zyklus. Darüber hinaus steht das Rad auch für das Rad des Schicksals und unser Leben schlechthin. Wir werden geboren, wirken und vergehen. Es ist eine Reise durch unsere Lebenszeit die nichts aufhalten kann und natürlich möchten wir auch hier sicher ans Ziel kommen.

Doch ein Ziel bedeutet doch irgendwie einen linearen Zusammenhang, oder? Start, Weg, Ziel und dann fertig. Was bedeutet hier der Zyklus und das Rad ohne Anfang und ohne Ende?
Die Natur verläuft in immer wiederkehrenden Mustern. Auf den Frühling, folgt der Sommer, der Herbst und der Winter. Leben kommt, Leben vergeht. Wenn sich das Rad einmal gedreht hat beginnt ein neuer Zyklus, aber man ist ein paar Meter weiter als vorher.

Die Rune Raido steht daher auch für den Rhythmus in dem wir uns durch unser Leben bewegen. Und je besser wir uns im Einklang mit den natürlichen Rhythmen bewegen, desto besser fühlen wir uns und desto leichter fällt uns unser Lebensweg.


Persönliche Anmerkung

15.06.2021

Die Rune Raido gehört seit jeher zu meinen persönlichen Lieblingen, denn als tendenziell unsteter Mensch liebe ich Dynamik und Veränderung. Daher symbolisiert diese Rune für mich das Prinzip von “Das einzig stete ist der Wandel”. Andererseits hat ihr zyklischer Aspekt für mich auch etwas tröstliches. So bewegt sich das Leben nicht in Kreisen sondern in einer ewigen Spirale und manchmal hat man den Eindruck an einer Stelle schon einmal gewesen zu sein – aber eben nur fast. Ich lebe den Jahreskreis und bin mit meinen Stimmungen und persönlichen Leistungen sehr eng mit dem Zyklus der Natur verbunden – auch das symbolisiert für mich Raido.

Dennoch ist Raido nicht “meine” Rune. Ich mag sie sehr gern und die bedeutete mir auch viel – doch ob es eine Rune gibt, mit der ich mich ganz und gar identifizieren kann werde ich auf meiner weiteren Runenreise herausfinden.

 

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